Fachartikel Erneuerbare Energien

Fortschritte in der Solar­industrie

Neue Technologien

20.09.2023

Ohne die Solarenergie hat die globale Energie­wende keine Chance. Die Frage wird sein, woher die Produkte kommen und wer diese Technologie weiter­ent­wickeln wird. Aktuell dominiert China, doch angesichts geo­politischer Konflikte und zuneh­mender Krisen ist die Energie­wende durch diese Abhängig­keit gefährdet. Ein Blick auf techno­logische Entwick­lungen in Europa.

Was Becquerel entdeckt und danach Einstein erklärt hat, führte nach einigen Jahrzehnten zur Entwicklung erster Photovoltaikzellen und -module und folglich zur Schaffung der Solarindustrie. Sonnenlicht trifft auf die Solarzelle und regt die Elektronen an, die freigesetzt werden: Strom wird erzeugt und wird durch die Metall­kontakte an beiden Seiten der Zelle abgeführt. Innerhalb weniger Jahre konnte dieser Prozess immer weiter verbessert werden.

Die Renaissance der Solarindustrie in Europa

Trotz der enormen chinesischen Übermacht in der weltweiten Solar­produktion (rund 80% aus China und 90% aus Asien insgesamt), ist Europa noch immer einer der Pioniere, wenn es um neue Solar­technologien geht. Beispielsweise das Schweizer Unter­nehmen Meyer Burger, welches immer wieder Meilensteine in der PV-Herstellung markierte.

Zwar fing die Geschichte des Unter­nehmens 1953 als Hersteller von Fertigungs­maschinen für die Uhren­industrie an, aber keine 30 Jahre später stieg das Unter­nehmen in die Photovoltaik­industrie ein. 1998 wurde eine Bandsäge zur Wafer-Massen­fertigung entwickelt und 2002 wurde die erste DS262-Drahtsäge für die Solar­industrie auf den Markt gebracht. Sechs Jahre später begann das Unter­nehmen mit der Entwicklung der Heterojunction-Technologie (HJT) für Solarzellen.

Mittlerweile hat sich das Unter­nehmen vom reinen Maschinenbauer zum Hersteller von Solarzellen und -modulen weiterentwickelt. Mit der Kapazität von 1,4 GW Zellen- und Modulfertigung ist heute Meyer Burger der einzige Zellenproduzent ausserhalb Asiens. Die Zellen werden dann in das hauseigene Modulwerk ins sächsische Freiberg geliefert. Der nächste Schritt in die USA ist schon getan, dort entstehen 2024 jeweils eine Solarzellen- und eine Modulfabrik im Gigawatt-Segment.

Durch die Produktion in Deutschland sichert die Firma eine regionale Wertschöpfung in Europa ab, die mittlerweile sogar in der EU-Kommission anerkannt wird. Europas Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act zum Aufbau der Cleantech-Industrie, der Net Zero Industry Act, will bis 2025 rund 30 GW Produktions­kapazität entlang der solaren Wertschöpfungskette in Europa ansiedeln. Der Vorteil für die Fertigung in Europa liegt auf der Hand: das weltweite Abhängig­keits­risiko minimieren, die heimische Energiewende absichern, neueste Technologien entwickeln und ökologische Ziele erreichen. Denn nicht nur sind dadurch die Lieferketten kürzer und es wird CO2 eingespart, sondern das Unter­nehmen verzichtet in seinen Produkten auch auf umwelt­schädliches Blei oder die langlebigen und gesundheits­gefähr­denden per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS).

Warum die Heterojunction-Technologie (HJT) führend ist

Diese wegweisende Arbeit zeigt sich in der Entwicklung neuer Zelltechnologien. Diese sind eine wichtige Komponente für das Fundament zum Wiederaufbau der Solarindustrie in Europa. Die Heterojunction-Solarzelle (HJT) ist hier elementar. Dabei werden zwei Technologien in einer Zelle kombiniert: eine Kernschicht aus kristallinem Silizium, die zwischen zwei Schichten aus amorphem «Dünnschicht»-Silizium liegt. Dadurch erhöht sich der Wirkungsgrad der Zelle und somit der Module deutlich und es wird mehr Sonnenenergie in elektrische Energie umgewandelt als in herkömmlichen Silizium-Solarzellen [1]. Die Herstellung dieser Art von Solarzellen ist preisgünstiger, da weniger Prozessschritte in der Fertigung erforderlich sind. Hinzu kommt die Ressourcen schonendere Fertigung mit Niedrig­tempe­ratur­prozessen.

Doch nicht nur die günstigere Herstellung ist ein Vorteil. Der Kern aus kristallinem Silizium ist in die Schichten aus amorphem Silizium eingebettet. Letztere schaffen eine gute Ober­flächen­passi­vierung, wodurch eine Zelleffizienz von über 25% ermöglicht wird. Die Kontaktfinger auf Vorder- und Rückseite der Zelle sammeln die Ladungsträger aus der Zelle und leiten diese weiter. HJT bietet die Möglichkeit, dünnere Wafer (aktuell 145 μm bei MB) einzusetzen. Dadurch können wertvolle Ressourcen gespart werden. Zurzeit werden noch dünnere Ausgangsmaterialien für die HJT-Zellen entwickelt. Die HJT-Zellen haben einen sehr niedrigen Temperaturkoeffizienten, was für einen geringeren Leistungs­verlust an sonnigen oder heissen Tagen sorgt. Zudem bietet HJT auch zukünftig ein erhebliches Optimierungs­potenzial.

Bezüglich Nachhaltigkeit ist das Thema Lebensdauer zentral. Module von Meyer Burger (Bild 1) haben dank der HJT-Zellen über die gesamte Lebensdauer eine sehr niedrige Degradation, also einen geringen Leistungsverlust pro Jahr. Das Produkt «Meyer Burger Glass» beispielsweise hat eine maximale Degradation von 1% der Leistung im ersten Betriebsjahr und 0,2% bis zum 30. Betriebsjahr. Das ist führend auf dem Weltmarkt.

Hochleistungsmodule der neuesten Generation

Hinzu kommt die von Meyer Burger entwickelte und patentierte SmartWire Connection Technology (SWCT), durch die die elektrische Verbindung der Solarzellen im Solarmodul hergestellt wird. Dank des busbarlosen Zelldesigns werden ideale elektrische Kontakte und eine beste optische Erscheinung erreicht. Durch die in eine Folie integrierten Drähte ist ein perfekter Stromabgriff möglich. Denn die dünnen runden Drähte verringern die Verluste durch Verschattungen auf der Zelle. Dank doppelter Einbettung der Zellen in die SWCT-Folie und in die Einkapse­lungs­folie ist die Zellstabilität verbessert und die Anfälligkeit für Mikrorisse reduziert.

Neben der Verbesserung des Wirkungsgrades (Bild 2) führt die Kombination von HJT-Zellen mit der SWCT auch zu geringeren Kosten, da beispielsweise der Silberbedarf um 65% reduziert werden kann (verglichen mit einer Standard 5 Busbar-Halbzelle). Weniger Silberbedarf und eine bleifreie Produktion machen die Zellen kosten­effizient und umweltfreundlich.

SWCT ermöglicht die Kombination von Prozessschritten und somit eine Einsparung von Energie in der Modulfertigung. Während der Lamination wird der elektrische Kontakt hergestellt. Da die Lamination ein Nieder­tempe­ratur­prozess ist, ist der thermische Stress auf der Zelle deutlich geringer als beim Löten von Busbars. Der SWCT-Prozess ist überdies selbstjustierend und benötigt kein kompliziertes Layout von Lötbändern auf der Kontaktfläche der Zelle. Die Kombination von HJT-Zelle und SWCT-Technologie ermöglicht Solarmodule mit Wirkungsgraden von über 20%.

Der nächste Innovationsschritt

Eine Renaissance der europäischen Solarindustrie ist kein Selbstläufer. Deshalb strebt das Unter­nehmen nach ständiger Weiter­ent­wicklung und ist dabei, immer wieder neue Technologien einzuführen (Bild 3). Mittlerweile arbeitet das Unter­nehmen an einer Kombination der HJT mit der sogenannten IBC-Technologie (Interdigitated Back Contact). Dadurch werden die Vorderseitenkontakte komplett auf die Rückseite der Zelle verlegt, sodass keine Metallisierung auf der Zellvorderseite nötig ist. Verschattungen auf der vorderen Zellseite werden so vermieden und mehr Licht kann die Zelle erreichen.

Bereits 2021 wurde ein erstes Modul mit 60 Vollzellen mit HJT-IBC Technologie (in Kombination mit SWCT) am Schweizer Unter­nehmens­standort entwickelt und gebaut. Dieses Modul erreichte einen Modulwirkungsgrad von 24,7%. Das Ziel ist es, einen Modulwirkungsgrad von mehr als 23% in der Massenfertigung zu erreichen. Ab dem Jahr 2025 ist die Markteinführung geplant.

Die nächste Entwicklung wird die Kombination der HJT-Zelltechnologie mit Perowskitzellen sein – ein sogenanntes Tandem. Hier werden die zwei Technologien über­ein­ander­gestapelt. Der Unterschied ist, dass die HJT-Zelle eher den roten Lichtbereich und die Perowskitzelle eher den blauen absorbiert. Durch die Kombination beider Zelltechnologien kann das einfallende Lichtspektrum besser ausgenutzt werden, somit sind höhere Zelleffizienzen möglich. Ziel ist es, eine Solarzelle mit einem Wirkungsgrad von über 30% für die industrielle Fertigung zu ermöglichen. Diese nächste Evolutions­stufe ist für die 2030er-Jahre geplant.

Für die Entwicklung der nächsten Generation von Hoch­leistungs-Solarzellen und -modulen hat Meyer Burger renommierte Partner ins Boot geholt und entsprechende mehrjährige Kooperations­verein­barungen abgeschlossen. Gemeinsam mit dem CSEM aus der Schweiz, dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und dem Institut für Photovoltaik an der Universität Stuttgart arbeitet das Unter­nehmen an der Industrialisierung der Perowskit-Tandemtechnologie. Die Entwicklung der neuen Produktionstechnologien soll ausschliesslich für die eigene Fertigung eingesetzt werden. Ziel ist es, den Energieertrag kommerzieller Solarmodule weiter signifikant zu steigern [2].

Wie die PV-Renaissance nachhaltig gelingen kann

Die kontinuierliche Weiter­ent­wicklung und Verbesserung, aber auch die Erweiterung der Produktpalette sowie der Eintritt in neue Märkte sind die Ziele von Meyer Burger. Neben der Europäischen Union bauen auch die USA ihre Cleantech-Industrie auf. Das Unter­nehmen ist auch hier das Zugpferd und liefert mit seiner Zelltechnologie die Basis für die weitere Entwicklung in der Solarindustrie und für die globale Energiewende.

Mit einer anfänglichen Kapazität von 2 GW wird die neue Solarzellen-Produktion im US-amerikanischen Colorado Springs exklusiv das Solarmodulwerk des Unter­nehmens in Goodyear, Arizona mit Solarzellen «Made in USA» beliefern. So finden sich Pioniergeist und Unter­nehmertum zusammen, indem das Unter­nehmen eine amerikanisch-europäische Solarbrücke aufbaut. Ziel ist, eine starke transatlantische Solarindustrie aufzubauen, um Europa und die USA unabhängig von fossilen Brennstoffen und globalen Versorgungs­engpässen zu machen.

Gleichzeitig sind die Wachstums­potenziale für das Unter­nehmen in Europa noch lange nicht am Ende. Im Rahmen der erfolgreichen Bewerbung von Meyer Burger für den EU-Innovation-Fund ist zu einem späteren Zeitpunkt ein Ausbau im Multi-Gigawatt-Bereich an den jetzigen Modul- und Zellstandorten in Deutschland sowie voraussichtlich auch in Spanien geplant.

Voraussetzung für solche Investitionen sind günstige Markt­bedin­gungen und sichere, faire Wett­bewerbs­bedin­gungen für europäische Solarhersteller in der Europäischen Union, die aktuell noch auf sich warten lassen.

Autorin
Madlen Apel

ist Head of Product Management.

  • Meyer Burger, DE-06766 Bitterfeld-Wolfen

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